Abweichende Steuerfestsetzung aus sachlichen Billigkeitsgründen

Es besteht grundsätzlich die Möglichkeit, Steuern niedriger festzusetzen als nach der Gesetzeslage vorgesehen. Entscheidend dafür sind sachliche oder persönliche Gründe. Es handelt sich immer um eine Einzelfallentscheidung, wenn die sich rechtlich ergebende steuerliche Belastung nicht mehr dem eigentlichen Gesetzeszweck entspricht. Über einen solchen Fall hatte der Bundesfinanzhof zu entscheiden. Der Erblasser hatte seiner Lebensgefährtin vermächtnishalber eine lebenslange Rentenzahlung zugesagt. Die Zahlungen sollten aus seinem Nachlass erfolgen, den die Kinder geerbt hatten. Die Rentenberechtigte wählte zur Streckung ihrer erbschaftsteuerlichen Belastung die jährliche Besteuerung vom jeweiligen Jahreswert ihrer Rente. Nach einigen Jahren gerieten die Kinder in die Insolvenz. Die Rentenzahlungen konnten deshalb nicht mehr geleistet werden. Daraufhin beantragte die frühere Lebensgefährtin, den Jahresbetrag ihrer Erbschaftsteuer mit 0 € festzusetzen. Daraus errechnete sie zur Gesamtablösung ihrer Erbschaftsteuerschuld ebenfalls einen Betrag von 0 €. Das Finanzamt berechnete stattdessen, ausgehend von den bisherigen Steuerzahlungen, einen Ablösungsbetrag von mehr als 185.000 €. Ein Steuererlass wurde abgelehnt. Der Bundesfinanzhof verwarf die Berechnung des Finanzamts. Nach seiner Auffassung ist für den Fall der regelmäßigen Besteuerung eines Jahreswerts beim Wegfall der Rentenzahlungen aus insolvenzrechtlichen Gründen ein Steuererlass zu gewähren. Der Wegfall der Rentenzahlungen war auf nicht vom Rentenberechtigten zu vertretende Gründe zurückzuführen. Es bestand für ihn auch keine Möglichkeit, sein bestehendes Rentenstammrecht anderweitig zu verwerten.

Veröffentlicht am: 1. April 2015